Fachärztliche Untersuchung

Die fachärztliche Untersuchung ist ein wichtiger Baustein innerhalb des Verfahrens zur medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) – insbesondere dann, wenn bei einer Person körperliche oder psychische Erkrankungen bekannt sind, die Zweifel an der Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs aufwerfen. Sie dient dazu, bestimmte medizinische Sachverhalte vertieft abzuklären, die über eine einfache allgemeinärztliche Einschätzung hinausgehen.

Im Gegensatz zur allgemeinen medizinischen Untersuchung bei der MPU, die routinemäßig bei Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenfragestellungen erfolgt, wird eine fachärztliche Untersuchung zielgerichtet und ergänzend durchgeführt – meist durch einen Neurologen, Psychiater, Internisten, Kardiologen oder Diabetologen, je nach Fragestellung.

Wann wird eine fachärztliche Untersuchung angeordnet?

Die Fahrerlaubnisbehörde oder die Begutachtungsstelle kann eine fachärztliche Untersuchung verlangen, wenn im Rahmen der MPU spezifische gesundheitliche Einschränkungen vorliegen oder vermutet werden, die die Fahreignung infrage stellen. Dies ist häufig der Fall bei:

  • psychiatrischen Erkrankungen, z. B. Depression, Schizophrenie, bipolare Störungen
  • neurologischen Befunden, etwa nach Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma oder bei Epilepsie
  • internistischen Grunderkrankungen, z. B. schwer einstellbarem Diabetes mellitus
  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen mit Bewusstseinsstörungen oder Medikamenteneinfluss
  • Verdacht auf Medikamentenabhängigkeit oder unsachgemäßen Umgang mit Arzneimitteln
  • Vorgeschichte von Substanzmissbrauch, bei der eine zusätzliche psychiatrische Einschätzung erforderlich ist
  • mehrfachen unklaren Verkehrsunfällen, bei denen medizinische Ursachen nicht ausgeschlossen werden können

Die Anordnung kann auch dann erfolgen, wenn ein MPU-Gutachten widersprüchliche Aussagen enthält oder zusätzliche Informationen zur medizinischen Stabilität der Person erforderlich sind, etwa im Zuge einer Begutachtung nach § 11 Absatz 2 FeV.

Rechtlicher Hintergrund

Die Durchführung fachärztlicher Untersuchungen ist gesetzlich in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) geregelt. Insbesondere sind folgende Paragraphen relevant:

  • § 11 FeV: Eignung und bedingte Eignung
  • § 14 FeV: Anforderungen bei Betäubungsmittel- oder Arzneimittelproblematiken
  • Anlage 4 und 4a FeV: Liste der Erkrankungen und der entsprechenden Anforderungen an die Fahreignung

Liegen Zweifel an der gesundheitlichen Eignung vor, kann die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 FeV verlangen, dass die betroffene Person eine fachärztliche oder ärztlich-psychologische Stellungnahme vorlegt – je nach Art und Schwere der Problematik. Die Begutachtungsstellen arbeiten hierbei mit zugelassenen Fachärzten mit verkehrsmedizinischer Zusatzqualifikation zusammen oder fordern entsprechende Berichte von behandelnden Fachärzten ein.

Wie läuft eine fachärztliche Untersuchung ab?

Die fachärztliche Untersuchung folgt keinem standardisierten Schema, sondern ist auf die konkrete Fragestellung abgestimmt. Ziel ist es, festzustellen, ob eine Erkrankung oder ein Befund vorliegt, der die Eignung zum sicheren Führen von Fahrzeugen dauerhaft oder vorübergehend ausschließt – oder ob die Fahreignung unter bestimmten Auflagen (z. B. regelmäßige Kontrolle, Medikamenteneinnahme, Diabetikerausweis) wieder gegeben ist.

Je nach Fragestellung beinhaltet die Untersuchung:

  • eine ausführliche Anamnese, inkl. Medikamentenplan und Vorbefunde
  • eine körperliche Untersuchung, ggf. ergänzt durch apparative Diagnostik (z. B. EKG, EEG, MRT-Befunde)
  • eine Bewertung der Krankheitsentwicklung und Prognose
  • ggf. ein psychopathologischer Status (v. a. bei psychiatrischen Fragestellungen)
  • eine Aussage zur Fahrtauglichkeit unter verschiedenen Bedingungen (z. B. unter Therapie, im Alltag, bei Stress)

Am Ende steht ein schriftlicher Befundbericht, der sich entweder direkt an die Fahrerlaubnisbehörde richtet oder als Teil des MPU-Gutachtens in die abschließende Bewertung einfließt. Dieser Bericht muss objektiv, nachvollziehbar und differenziert ausfallen – und sich an den Maßgaben der Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung orientieren.

Rolle in der MPU-Begutachtung

Die Ergebnisse der fachärztlichen Untersuchung werden bei der MPU in den Gesamtkontext eingeordnet. Besonders relevant ist dies bei Mehrfachfragestellungen – etwa Alkohol plus psychiatrische Erkrankung, Drogen plus Medikamenteneinnahme oder neurologische Erkrankung plus Punkteproblematik.

Der MPU-Gutachter beurteilt anhand des fachärztlichen Berichts, ob:

  • eine akute oder chronische Einschränkung der Fahreignung vorliegt
  • die Erkrankung stabil eingestellt und unter Kontrolle ist
  • eine Rückfall- oder Entgleisungsgefahr im Straßenverkehr besteht
  • ggf. Auflagen oder Einschränkungen zur Fahrerlaubnis ausgesprochen werden sollten

Ist die fachärztliche Einschätzung positiv, kann sie dazu beitragen, dass das MPU-Gutachten trotz gesundheitlicher Vorgeschichte positiv ausfällt – z. B. mit dem Vermerk: „Fahreignung unter ärztlicher Kontrolle gegeben.“ Ist sie negativ oder weist sie auf fortbestehende Risiken hin, wird dies in der Regel zu einem negativen Gesamtgutachten führen.

Was muss der Betroffene beachten?

Wer zur fachärztlichen Untersuchung eingeladen wird – sei es durch die MPU-Stelle oder durch die Führerscheinstelle –, sollte einige wichtige Punkte beachten:

  • Die Untersuchung ist verbindlich – ein Nichterscheinen oder Nichtmitwirken kann zum Abbruch der Begutachtung oder zur Versagung der Fahrerlaubnis führen.
  • Alle relevanten Befunde, Diagnosen und Medikamentenlisten sollten vollständig und aktuell vorgelegt werden.
  • Der untersuchende Facharzt ist zur Neutralität verpflichtet – die Untersuchung ist keine Therapie oder Behandlung, sondern eine Begutachtung.
  • Es ist hilfreich, sich im Vorfeld mit dem behandelnden Arzt oder einer MPU-Beratungsstelle abzustimmen – insbesondere bei sensiblen Themen wie Psychopharmaka, Suchterkrankungen oder neurologischen Störungen.

Wer an chronischen Erkrankungen leidet – etwa Epilepsie, Diabetes oder Depression – sollte frühzeitig klären, unter welchen Voraussetzungen eine Fahrerlaubnis erteilt oder verlängert werden kann. In vielen Fällen ist eine regelmäßige fachärztliche Kontrolle erforderlich, um die Fahreignung dauerhaft zu sichern.

Fazit

Die fachärztliche Untersuchung ist ein wichtiges Instrument im Rahmen der MPU, um bei medizinischen Sonderfällen eine qualifizierte und fundierte Aussage über die Fahreignung zu treffen. Sie ergänzt das MPU-Gutachten um spezifische Fachkenntnis – etwa bei neurologischen, psychiatrischen oder internistischen Fragestellungen – und dient der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer. Wer zur fachärztlichen Untersuchung geladen wird, sollte die Gelegenheit nutzen, durch Kooperation und vollständige Unterlagen Transparenz und Stabilität zu dokumentieren. Denn nur wer offen und gut vorbereitet in die Begutachtung geht, hat gute Chancen, den Führerschein zurückzuerlangen – auch bei schwieriger Vorgeschichte.

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